Niemals hätte ich gedacht, dass ich einmal in Frankreich wohnen würde. Nicht, weil es komplett abwegig wäre, für mich dort zu leben. Ich hatte nur nie vorher daran gedacht und Französisch hatte mich nie wirklich interessiert. Seit ich in der Oberstufe Englisch als Leistungskurs hatte, ist die englische Sprache zu meiner Passion geworden. Nach einem Studium in englischer Literatur, mit einem Auslandsaufenthalt in England, dachte ich immer, ich würde irgendwann nach Großbritannien auswandern. Doch vieles Ungeplantes ist passiert und plötzlich fand ich mich im November 2022 in Toulouse wieder.
Toulouse
Als viertgrößte Stadt in Frankreich liegt Toulouse im Süden des Landes, nahe der Pyrenäen und der Grenze zu Spanien. Zum Atlantik als auch zum Mittelmeer braucht man mit dem Auto circa 3 bis 4 Stunden, womit die Stadt eigentlich ideal gelegen ist. Nur unmittelbar um Toulouse herum ist nicht allzu viel zu entdecken.
Tatsächlich ist die Innenstadt recht klein. Es sind die Außenbezirke ums Zentrum herum, die die Stadt so groß machen. Eine kleine Innenstadt heißt aber nichts Negatives. Ganz im Gegenteil. Als Großstädterin brauche ich normalerweise ewig, bis ich von A nach B, mit U-Bahnen und Bussen durch die Stadt komme. Toulouse war da schon eine angenehme Abwechslung. Mit dem Fahrrad war ich immer schnell am Ziel. Auch bin ich zu Fuß gerne mal durch die Straßen geschlendert. Die Stadt ist überschaubar. Sie bot alles, was ich brauchte, auch, wenn es nicht so viel Auswahl gab. Ich kannte mich schnell aus, wusste, wo sich die besten Cafés verstecken und die günstigsten Supermarktangebote zu finden sind. Toulouse war mein Zuhause.
Eine multikulturelle Stadt
In Toulouse ist immer etwas los. Das Jahr ist von Winter bis Winter gefüllt mit Events, Festivals und Themenwochen. Dabei macht die ganze Stadt mit. Konzerte werden in Hallen gespielt, Kinos öffnen ihre Türen für Filmfeste, die Marktplätze sind jedes Wochenende voll von Festständen, Ateliers zeigen kostenlose Ausstellungen. Die Straßen sind bunt und mit viel Leben gefüllt.
Der Pluspunkt obendrauf: Nicht nur französische Kultur macht sich in Toulouse breit. Die Stadt ist multikulturell und sehr international. Durch ihre Lage nahe der spanischen Grenze ist Toulouse besonders beliebt bei Spaniern. Ich würde fast schon sagen, dass Spanisch die zweite offizielle Sprache in Toulouse ist. Überall gibt es mexikanische Restaurants, argentinische Cafés und lateinamerikanische Clubs. Spanisch begegnet man an jeder Ecke. Ich hatte selber dort einige Freunde aus Lateinamerika, mit denen ich grundsätzlich Spanisch gesprochen habe. An manchen Tagen sogar mehr als Französisch.
Auch Deutsche findet man oft in Toulouse. Durch das Goethe-Institut gibt es viele Franzosen, die gerne Deutsch lernen. Jeden Monat fanden Tandem-Abende statt, an denen man beide Sprachen übt und neue Menschen treffen kann. Viele meiner Freunde in Toulouse habe ich durch das Goethe-Institut kennengelernt. Auch durch die zahlreichen Universitäten, die sich in der ganzen Stadt verteilen, trifft man auf einen bunten Mix aus verschiedenen Sprachen und Kulturen. Die Stadt im Süden von Frankreich ist wirklich ein beliebtes Ziel bei Touristen, Studenten und Globetrottern.
Meine Erfahrungen
Ich habe viel in Toulouse erlebt. Ob Alltag oder Abenteuer - fast jeden Tag wurde ich vor neue Hürden gestellt. Mit "Hürde" meine ich hierbei nichts großartig Nervenaufreibendes. Als recht introvertierte Person ist im Supermarkt einkaufen für mich schon eine kleine Hürde. Vor allem in einem anderen Land, in dem eine Sprache gesprochen wird, die ich nicht sehr gut beherrsche. Zwar erfordert es nur einen kleinen, unmerkbaren Hopps über diese Hürde, aber trotzdem.
Im Alltag war meine größte Hürde, wie vorher schon genannt, die Sprache. Ich hatte zwar Französisch in der Schule, aber das war vor 10 Jahren. Dennoch sind mir immer wieder zwei Dinge aufgefallen: Erstens, wie viel vom Französischunterricht hängen geblieben ist, und zweitens, wie wenig authentisch und natürlich das Französisch ist, das wir in der Schule lernen. In den fünf Jahren, in denen ich die Sprache auf der Schulbank pauken musste, wurden uns nicht einmal gängige Floskeln oder Smalltalk beigebracht. Da sieht man mal wieder, dass man erst eine Sprache richtig lernt, wenn man in dem Land ist, in dem sie gesprochen wird. Allerdings war ich froh über die Basis, die sich aus dem Unterricht von damals bis heute in meinem Gedächtnis verankert hat. Denn so konnte ich recht schnell Satzstrukturen, und damit auch den Kontext, einfacher verstehen. Auch wenn mir gänzlich das Vokabular fehlte.
Bis zum nächsten Mal, Toulouse!
Im Juni 2023 neigte sich mein Aufenthalt im Süden von Frankreich langsam dem Ende zu. Nach einem recht stressigen Auszug aus der Wohnung, wobei alle meine Mitbewohner auch ausgezogen sind, ging es erst mal wieder Richtung Heimat. Immer, wenn sich ein Kapitel schließt in meinem Leben, bin ich sehr melancholisch und vielleicht ein bisschen dramatisch. So auch an den letzten Tagen in Toulouse. Abends nach der Arbeit schlenderte ich mit Kopfhörern in den Ohren und emotionaler Musik durch meine Lieblingsstraßen. Die Freunde wurden mit Tränen verabschiedet und der leeren Wohnung sagte ich goodbye, bevor ich die Tür hinter mir zuzog. Im Bus zum Flughafen guckte ich zu, wie die verregnete Stadt an mir vorbeizog. Bis zum nächsten Mal, Toulouse!
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